Piraten beim OVG in Greifswald

Auf Anregung der Vorsitzenden des Piraten-Kreisverbandes Westmecklenburg, Maria Griepentrog, waren 3 Mitglieder am vergangenen Mittwoch beim Oberverwaltungsgericht in Greifswald. Robert Schiewer aus Schwerin und Mathias Archut aus Greifswald wollten miterleben, wie es zugeht, wenn über die Gültigkeit einer Zweckverbandssatzung entschieden wird. Zu ihrer Überraschung war außer Mitarbeitern des Zweckverbandes niemand sonst da.

Es ging um die Trink- und auch die Abwassersatzung des Zweckverbandes für kommunale Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Ludwigslust (ZkWAL).

Eine Besonderheit ist hier, dass der ZV bis 2001 nach Privatrecht agiert hat. Er hat Preise und Entgelte berechnet, Baukostenzuschüsse mussten nur gezahlt werden, wenn ein neues Baugebiet erschlossen oder einzelne Häuser neu gebaut wurden.

Nach dem Wechsel ins öffentliche Recht sollten Anschlussbeiträge erhoben werden. Der ZkWAL hat alle Investitionen seit Gründung bis weit in die Zukunft auf sämtliche Flächen umlegen wollen. Bereits bei einem früheren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schwerin deutete der Richter an, es hätte eine interne Abgrenzung geben müssen. Am Mittwoch in Greifswald wurde das Gericht deutlicher: alle damals getätigten Investitionen in Leitungen und auch die Grundstücksflächen, für die damals Baukostenzuschüsse bezahlt wurden, müssen aus der Beitragskalkulation herausgerechnet werden.

Denn auch damals musste der ZkWAL kostendeckende Preise festsetzen. Wir dürfen davon ausgehen, dass z.B. Kreditzinsen mit den Wasserpreisen bezahlt wurden.

Herr Lange schien erfreut darüber zu sein, dass sowohl die Satzungen als auch die Kalkulationen neu erstellt werden müssen.

Nach jedem Gerichtsverfahren gibt es neue Satzungen, die dann beim nächsten Mal wieder Fehler enthalten. Schlechte Arbeit wird durch stets neue Aufträge an denselben Anwalt und denselben Kalkulator belohnt.

Und weil es bis zur nächsten Gerichtsverhandlung sehr lange dauert, kann der ZkWAL mit jeder neuen Satzung neue Bescheide versenden. So geht das – mindestens – seit 2001.

Damals gründete sich die lokale Bürgerinitiative. Sie versuchte aufzuzeigen, wie Abwasser in dünnbesiedelten Regionen preisgünstig, effektiv und flexibel – weil dezentral – gereinigt werden könnte. Im Rückblick diente die Arbeit der engagierten Bürger nur dazu, die Landesregierung auf vorhandene Lücken in den Gesetzen hinzuweisen.

2005 wurde das Kommunalabgabengesetz in wesentlichen Punkten geändert:

In § 9 stand nun im dritten Absatz, dass die Beitragspflicht entsteht…mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Schwerwiegender ist die Festlegung in § 12: bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs.1 Satz 1 endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008.

Der Gesetzgeber hat damit den Zweckverbänden weitreichende Freiheit eingeräumt. Praktisch können sie für seit der Wende getätigte Investitionen immer wieder Bescheide verschicken. Die Informationen vor den Baumaßnahmen waren dürftig. So wurde in Woosmer von Anschlussbeiträgen von 4.000 DM gesprochen, aus denen dann 18.000 € wurden.


Deutlich wird das Dilemma der rechtsunsicheren Zeit in den Jahren nach der Wende. Das Prinzip der Zentralität sollte offenbar fortgesetzt werden. Die Struktur der VEB WABs wurde auf die Landkreise übertragen. Größere und auch kleinere Städte gründeten Stadtwerke, die dünnbesiedelte Fläche verblieb bei den Zweckverbänden. So kommt es, dass die namengebenden Städte nicht Mitglied der Zweckverbände sind: die Stadt Ludwigslust nicht im ZV Ludwigslust, die Städte Güstrow, Bützow und Sternberg nicht im gleichnamigen ZV unter der Betriebsführung von Eurawasser.

Trotzdem wurde an den Plänen der zentralen Abwasserentsorgung festgehalten.


Mit den Jahren konnte der Eindruck entstehen, dass der Zusammenschluss kleiner Gemeinden einzig zu dem Zweck erfolgte, genügend Einwohnerwerte (EW) für die Rechtfertigung einer zentralen Kanalisation mit Klärwerk zusammen zu bekommen. Die Mindestgröße der EU-Richtlinie für kommunale Abwässer liegt bei 2.000 EW. Da zentrale Anlagen im Fall sich ändernder Einwohnerzahlen unflexibel sind, musste auf Zuwachs geplant werden, obwohl sich der demografische Wandel längst nicht mehr leugnen ließ.


Der Einwohnerschwund führte immer auf’s neue dazu, dass Kläranlagen nicht ausgelastet waren. Statt sie zurückzubauen – wie schon seit Langem empfohlen – wurden immer mehr kleine Dörfer angeschlossen, um die Kosten auf mehr Schultern zu verteilen. Je kleiner die Dörfer, umso größer die Grundstücke. Niemand hatte es für notwendig befunden, Satzungen zu erlassen, die die Bebaubarkeit einschränken würden. Damit war de facto das gesamte Grundstück „bebaubar“ und zu einem Beitrag heranziehbar. Das hatte zur Folge, dass Bewohner kleiner Dörfer im Verhältnis für dieselbe Leistung „Abwasserbeseitigung“ sehr viel mehr Geld bezahlen mussten.

Die Fördermittelpraxis der Landesregierung führte dazu, dass investiert wurde, wo es nicht wirklich wirtschaftlich war.


Nach Auskunft des Umweltministeriums wurden seit der Wende 275 Mio. Euro in Trinkwasseranlagen investiert, davon Fördermittel in Höhe von rd. 100 Mio. Euro, für Abwasseranlagen 2,3 Milliarden €, darunter 900 Millionen € Fördermittel.
Die Fördermittel sind Steuergelder. Auch die anderen Summen wurden nicht, wie es gern verlautbart wird, vom Land oder den Zweckverbänden bezahlt sondern von den Wasser-Kunden.
In Städten allein über die Verbrauchsgebühren, in den ländlichen Regionen müssen zusätzlich Anschlussbeiträge bezahlt werden. Dieser Umstand wird in sämtlichen Erhebungen über Wasserpreise entweder nicht abgefragt oder verschwiegen. Niedrige Wassergebühren in ländlichen Regionen können die Folge von hohen Anschlussbeiträgen sein.


Es wird Zeit, dass die Landesregierung den Zweckverbänden Grenzen setzt.

 

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