Diskussion um Anschlussbeiträge in Neukloster

Mut bewiesen haben Heinz Müller (SPD) und Wolfgang Griese (Die Linke) am 12. April in Neukloster. Beide hatten sich bei ihrer Fraktion abgemeldet und folgten der Einladung des dortigen Aktionsbündnisses.

Der Ärger der Menschen war groß. Warum müssen die Grundstückseigentümer allein die Kosten für den Ausbau der Trink- und Abwasseranlagen tragen?

Besonders der Begriff „Vorteil“ erhitzte die Gemüter. Herr Völcker aus Nakenstorf hatte festgestellt, dass früher von einem „wirtschaftlichen“ Vorteil die Rede war und heute nur noch von einem „rechtlich abgesicherten“ Vorteil. Der lässt sich in Geld nicht bemessen und ist für den „bevorteilten“ Bürger nicht nachvollziehbar.
Sehr geehrter Herr Müller,

Sie sagten, Abwasserbeseitigung sei Aufgabe der Gemeinden und diese hätten ihre Pflicht auf Zweckverbände übertragen.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit.

Auszug aus der Landtagsdrucksache 2/1353 vom 14.03.96
1964 wurden auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern die VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rostock, Schwerin und Neubrandenburg gegründet. Auf der Grundlage der „Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften“ vom 01. März 1990 erfolgte die Umwandlung der VEB WAB Rostock, Schwerin und Neubrandenburg bis zum 30. Juni 1990 in „Nordwasser-GmbH Rostock“, „Westmecklenburgische Wasser-GmbH Schwerin, „Neubrandenburg Wasser-AG“.

Mit der Kommunalisierung dieser Betriebe trennten sich die Städte – soweit es ihnen möglich erschien – aus der vorgegebenen Struktur und gründeten Stadtwerke.

Für die Zweckverbände, die die verbliebenen Gemeinden aufnehmen sollten, blieb nur der dünnbesiedelte ländliche Raum.
So kommt es, dass die Städte Güstrow, Bützow und Sternberg nicht dem ZV Güstrow-Bützow-Sternberg angehören und die Stadt Ludwigslust auch nicht dem ZV kommunaler Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Ludwigslust, auch, wenn es so klingt.

Von einem freiwilligen Zusammenschluss kann kaum die Rede sein. Zumal man, wenn man freiwillig beigetreten ist, auch wieder austreten können müsste, wenn man sich nicht gut aufgehoben fühlt. Dass das nicht geht, haben viele Gemeinden erfahren müssen.
Trotz der extrem dünnen Besiedelung hat der Bau von Kanalisation und Klärwerken Vorrang vor hauseigenen Anlagen (KKA), die die Grundstückseigentümer selbst betreiben und verantworten. Kanalanschlüsse werden mit 3.000 bis 8.000 € gefördert, der Bau von KKA nur mit 750 €.


Herr Müller, Sie erwähnten, dass Bürger nur für „notwendige“ Maßnahmen zur Kostenerstattung herangezogen werden dürften. Sie meinten, überdimensionierte Klärwerke brauchen nicht bezahlt zu werden.
Dazu folgendes:
  1. durch den Anschluss weiterer Orte wird die Auslastung einfach erhöht – koste es, was es wolle.
  2. Der Anteil der „Überdimensionierung“ an einem Klärwerk ist im Vergleich zu den Gesamtkosten einschliesslich Kanälen derart gering, dass es sich kaum lohnt, das herauszurechnen.

Nicht notwendige Baumaßnahmen. Das ist doch ein gutes Stichwort.
Da weder die EU noch das Wasserhaushaltsgesetz jemals den Bau von Kanalisation in derart kleinen Siedlungen vorgeschrieben haben, sind sämtliche Baumaßnahmen in Gemeinden (Orten, Verdichtungsgebieten) mit weniger als 2.000 Einwohnerwerten „nicht notwendig“ gewesen.

Die Zweckverbände müssten also diese Kosten aus ihren Kalkulationen herausrechnen. Diesen Betrag übernimmt das Land, denn es hat durch die Vorgaben aus den Ministerien, die immensen Fördermittel und das Nicht-Eingreifen der Kommunalaufsichten beigetragen.
Das Land kam auch irgendwann auf die Idee, diese Art der (Bau-)Wirtschaftsförderung durch die Grundstückseigentümer mit Beiträgen finanzieren zu lassen. Gleich nach der Wende hat niemand an soetwas gedacht.


Noch eine Bitte zum Kommunalabgabengesetz (wie zu sämtlichen anderen Gesetzen auch):
Schreiben Sie dort nur hinein, was Pflicht ist. Jeder Satz, der ein „kann“ oder „können“ enthält, kann getrost gestrichen werden. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er steht.

Die ländlichen Zweckverbände sind durch das Verhalten der Regierungen seit der Wende hoch verschuldet. Sie werden jeden Spielraum zu Ungunsten der Bürger nutzen, was ihnen nicht zu verdenken ist.


Sorgen Sie dafür, dass keine Fördermittel mehr für den Anschluss von kleinen Gemeinden (<2.000 EW) an vorhandene Kläranlagen zur Verfügung gestellt werden.
900.000 € für 160 Grundstücke könnten z.B. in unserer Gemeinde besser angelegt werden. Mit den für 2009 beantragten Fördermitteln für KKA würden davon nur 240.000 € gebraucht.

Wenn Ihre Fachabteilungen in Land und Landkreisen sich mit den Vorteilen dezentraler Anlagen nicht auskennen, dann bezahlen Sie ihnen gern Schulungsmaßnahmen von diesem Geld. Damit wäre uns allen sehr geholfen.
Gern nennen wir Ihnen Fachleute, die sich seit langem mit dem Thema befassen.
Einen Aufsatz zum Thema finden Sie hier: Dezentrale KKA im Raum Trier
Der Leitfaden der EU ist hier ebenfalls hilfreich.

Bitte orientieren Sie sich nicht länger an Technologien für Städte. Wohin das führt, haben Sie am Dienstag gehört.
Und nicht nur in Neukloster wird darüber geredet. In den Sprechstunden der Ministerpräsidenten und Bürgerbeauftragten ist das seit Jahren Thema. Wenn Sie jedoch zu Ihren Beratungen profitierende Verbände befragen, statt direkt betroffene Bürger, ist das Ergebnis nicht verwunderlich.

Zur Verantwortung des Landes lesen Sie auch in einer Antwort, die kürzlich aus Brüssel kam.

Bereits 2007 erhielt ich die Bestätigung dafür, dass das so, wie es hier im Land umgesetzt wird, in den Richtlinien der EU nicht gemeint war.
Nur ein Übersetzungsfehler? 

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